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Channel: Amazon –📚 Verlag Karim Pieritz, Berlin
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Amazon bezahlt Autoren nur noch nach gelesenen Seiten – oder?

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Bei meiner Lesung am letzten Montag fragte jemand aus dem Publikum, wie wir denn die Umstellung von Amazon auf die Seitenzahl-Bezahlung finden und ob das negative Auswirkungen auf die Qualität haben wird.

Falsch verstandene Wahrheiten

So ist das also, wenn eine falsch verstandene Information massenhaft verbreitet wird. Plötzlich kennt jeder die Unwahrheit und kaum jemand die Wahrheit. Und dann, ganz plötzlich, wird die Unwahrheit wahr und Amazon macht das wirklich für alle Bücher!

Bezahlung nach gelesenen Seiten im klassischen Buchhandel

Stellen Sie sich die Seitenbezahlung mal in der „echten“ Welt vor. Dann müsste jeder Buchhändler seinen Käufern hinterher telefonieren und sie befragen, wie weit sie schon gelesen haben und ob sie weiterlesen wollen oder nicht. Das müsste er dann dem Verlag melden und danach richtet sich dann sein Einkaufspreis. Was wäre das für ein Verwaltungsaufwand?

Nur Flatrate-Autoren sind betroffen

Derzeit ist es nicht so, dass Amazon alle Bücher nur nach den gelesenenen Seiten bezahlt. Dieses Bezahlmodell betrifft nur eBooks, die im Rahmen der Amazon-Flatrate „Kindle Unlimited“ ausgeliehen wurden.

Flatrate-Nutzer reizen ihre Möglichkeiten gerne voll aus. Nicht ohne Grund verwandeln sich immer mehr Telefon- und Internet-Flatrates durch Sonderbedingungen und Obergrenzen in Pseudo-Flatrates.

In der Flatrate-Welt der eBooks leihen sich die Leser oft mehr Bücher aus, als sie überhaupt lesen können. Statt einer Leseprobe wird auch schnell mal das ganze Buch ausgeliehen. Da kann ich gut nachvollziehen, dass Amazon seine Autoren nicht mehr für ungelesene Bücher der Leih-Bibliothek bezahlen will.

Und die Zukunft?

Wird Amazon sein neues Bezahlmodell bald auf alle Bücher ausweiten? Amazon hätte daran sicherlich ein finanzielles Interesse.

Derzeit bezahlt Amazon seinen Autoren ab einem Verkaufspreis von € 2,99 volle 70 Prozent Tantiemen. Diese Zahl wirkt magisch anziehend auf die Autoren. Wie kann Amazon künftig weniger Tantiemen auszahlen, aber die 70 Prozent beibehalten? Vielleicht mit einem Trick. In der Welt der Dinge machen es die großen Konzerne vor. Eine Packung mit Nahrungsmitteln wird plötzlich immer dünner und leichter. 350 g verwandeln sich schnell in 325 g. Der Trend der Produktschrumpfung ist ungebrochen – bei gleichbleibenden Preisen.

Amazon könnte künftig einen Seitenzahl-Faktor in seine Tantiemenberechnung aufnehmen. „Volle“ 70 Prozent gibt es dann nur noch für „voll“ ausgelesene eBooks. Gekaufte eBooks, die ungelesen bleiben, erhalten dann einen „Mindestlohn“ von 35 Prozent.

Ich denke, die Bezahlung der Autoren wird zukünftig niedriger werden. Ob diese „Lohnkürzung“ offen oder heimlich durchgeführt wird, wird sich zeigen. Eines ist aber sicher. Autoren von aufgeblähten Wälzern, die zur Hälfte aus langweiligem Füllstoff bestehen, werden es künftig schwerer haben.


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